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Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Wenn der Krankheit die Schwere genommen wird

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iStock/chuyu

Alpha-1-PatientInnen bleibt im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg. Andrea Schuh, Coach im Rahmen von Alpha Care, und Stilla Beitz, selbst von Alpha 1 betroffen, sprechen im Interview über das große Potenzial von Selbsthilfegruppen und Coachings.

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Stilla Beitz

Alpha-1-Patientin

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Andrea Schuh

Alpha Care Coach

Was sind für Sie zentrale Themen und Inhalte für Coachings und Selbsthilfegruppen?

Andrea Schuh: Als Coach gebe ich seit Jahren Workshops, bei denen es um den Umgang mit Alpha 1 geht. Seit 2017 biete ich außerdem Coachings an – hier in meiner Praxis in Wien, aber auch telefonisch. Viele Alpha-1-PatientInnen sind nicht mehr mobil oder körperlich nicht in der Lage, nach Wien zu fahren. Coaching ist dabei keine Psychotherapie, sondern bietet Hilfestellungen für eine Krisenzeit im Leben an.

Stilla Beitz: Die Mitglieder kennen Andrea Schuh durch die Workshops alle persönlich. Es ist ein sehr freundschaftlicher Kontakt. Wenn man die Diagnose erhält, ist man zunächst geschockt, weil Alpha 1 eine unheilbare Erkrankung ist, und es drängt sich die Frage auf, wie man damit jetzt umgeht. Ich bin sehr froh darüber, dass es die Selbsthilfegruppe gibt, die sich in kleinen Gruppen in den Bundesländern zwei- bis dreimal im Jahr trifft. Wir können uns dabei über alle wichtigen medizinischen, sozialrechtlichen aber auch persönlichen Themen austauschen.

War für Sie zunächst schwer, das Angebot der Selbsthilfegruppe in Anspruch zu nehmen?

Beitz: Die Diagnose ist fast so etwas wie ein Todesurteil. Und ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt zu so einer Selbsthilfegruppe gehen möchte. Meine Vorstellung davon war, dass dort lauter sterbende, depressive Menschen sein werden. Aber genau das Gegenteil ist der Fall! Die Menschen erfreuen sich ihres Lebens, machen das Beste daraus und unterstützen sich gegenseitig dabei, möglichst lange gut leben zu können!

Schuh: Das Tolle an der Selbsthilfegruppe ist, dass es zwar um ernste Themen geht, aber auch Humor eine große Rolle spielt. Es sind wunderschöne Treffen, bei denen die Schwere der Krankheit nicht so präsent ist. Viele Menschen haben vielleicht ein falsches Bild von einer Selbsthilfegruppe. Dabei ist es für alle chronisch Erkrankten extrem wichtig, ein gutes Netzwerk zu haben.


Wie integriert man das Wissen aus der Selbsthilfegruppe und aus den Coachings in den Alltag und die unterschiedlichen Lebensbereiche?

Beitz: … indem die Schwere und Aussichtslosigkeit der Diagnose genommen wird. Man legt nicht mehr nur den Fokus auf die Erkrankung, sondern auf die vielen anderen schönen Dinge im Leben, die man auch genießen kann.

Schuh: Bei Alpha-1-PatientInnen ist ja die Lunge betroffen. Wenn man nun also sowieso schon keine Luft bekommt und sich zusätzlich noch anspannt, werden die Beschwerden noch schlimmer. Die psychische Verfassung ist also ein bedeutender Teil. Wichtig ist daher, einen Fokus darauf zu legen, was möglich ist und nicht darauf, was nicht möglich ist. Es ist sicherlich auch ein Prozess, in dem man sich selbst kennenlernt. PatientInnen sagen oftmals, dass es für sie ein Leben vor und nach der Diagnose gibt. Auch weil sie auf einmal Veränderungen in ihrem Leben und ihrem Umfeld umsetzen können, die Ihnen bislang nicht möglich waren. 

War das auch bei Ihnen so, Frau Beitz?

Beitz: Ich lebe jetzt viel bewusster im Hier und Jetzt und genieße die Zeit, die ich habe. Es ist egal, was in zehn oder fünfzehn Jahren sein wird.

Schuh: Die zentrale Frage ist: Wie gehe ich mit meiner Erkrankung um? Es geht darum, wie ich die Krankheit in mein Leben integriere und nicht mein Leben in die Krankheit. Das ist ein Unterschied! Wie kann ich mich trotz meiner Krankheit gesund fühlen? Dabei geht es um weit mehr als nur die körperliche Gesundheit. Auch das psychosoziale Umfeld, Sexualität, Familie und die Kommunikation sind wichtige Themen.

Wie können sich Alpha-1-PatientInnen an Sie wenden?

Schuh: Es gibt die Selbsthilfegruppe Alpha 1 Österreich

Vielfach liegen bei ÄrztInnen und Alpha-1-Zentren Flyer auf. Es ist eine tolle Möglichkeit, die Betroffene nutzen sollten – egal, ob man frisch diagnostiziert ist oder schon länger leidet. Über das Alpha Care Programm können Betroffene sowie Angehörige außerdem Coachings in Anspruch nehmen.


Beitz: Alpha-1-Antitrypsinmangel gehört zu den seltenen Erkrankungen und PatientInnen werden oftmals sehr spät diagnostiziert. Daher ist das Alpha Care Programm eine sehr große Hilfe! Durch ein Coaching kann der Hilflosigkeit, der man anfangs ausgesetzt ist, begegnet werden.

Die Selbsthilfegruppe Alpha 1 Österreich bietet Treffen, Infotage, Workshops sowie andere Veranstaltungen an. Die Bandbreite ist groß und es gibt ein wirklich gutes Angebot! Wir unterstützen einander, wo immer es möglich ist, denn wenn man selbst betroffen ist, kann man Informationen und Tipps viel besser weitergeben.


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