Home » Neuromuskuläre Erkrankungen » Krankheitsverlauf von SMA stoppen können
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Dr. Marcus Erdler ist Neurologe und Spezialist für Spinale Muskelatrophie (SMA). Im Interview spricht er über den Krankheitsverlauf der seltenen Erkrankung und die Bedeutung der Behandlungsmöglichkeiten.

OA Dr. Marcus Erdler

Facharzt für Neurologie

Was ist Spinale Muskelatrophie?
Die Spinale Muskelatrophie ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die dazu führt, dass jene Zellen, die im Rückenmark für die motorischen Nerven zuständig sind, absterben. Das bedeutet, es kommt im Verlauf der Erkrankung zum Verlust von Muskelkraft und Beweglichkeit. Wir wissen mittlerweile auch, dass sich die Erkrankung nicht nur auf Kraft, Muskelbau, Sitz- und Gehfähigkeit auswirkt, sondern auch auf andere Funktionen im Körper. Lange Zeit war dies nicht bekannt, weil wir den Verlauf der Erkrankung aufgrund fehlender Therapien nicht lange beobachten konnten.

Gibt es unterschiedliche Verlaufsformen und Typen von SMA?
Wir teilen die Erkrankung in unterschiedliche Typen ein. SMA-Typ 1 ist jene Erkrankung mit dem schwersten Verlauf. Hier sind die Patient:innen bereits im Kindesalter stark beeinträchtigt – diese Kinder können ohne Therapie nicht sitzen oder gehen lernen und waren früher von hoher Sterblichkeit betroffen. Beim SMA-Typ 2 haben Kinder bzw. Jugendliche erst im Teenager-Alter mit schweren Symptomen zu kämpfen. Menschen mit SMA-Typ 3 können vielleicht anfänglich gehen, verlieren diese Fähigkeit aber im Verlauf der Krankheit. Diese Einteilung ist jedoch nur ein grober Anhaltspunkt, denn jeder Fall ist individuell.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für SMA-Patient:innen?
Wir in der Erwachsenenneurologie haben im Kindesalter diagnostizierte SMA-Patient:innen vor der Verfügbarkeit von medikamentösen Therapien praktisch nicht gesehen – entweder weil sie früh verstorben oder nur begleitende Therapien zur Verfügung gestanden sind. Heute gibt es medikamentöse Behandlungsoptionen, die auf genetischer Ebene funktionieren. Begleittherapien wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Atemtraining sind aber nach wie vor sehr wichtig.

Können Menschen mit SMA mit medikamentösen Therapien heute ein selbständiges Leben führen?
Das hängt natürlich vom Schweregrad ab, aber mit den verfügbaren Therapien kann SMA als chronisch fortschreitende Erkrankung zum Stoppen gebracht werden – das ist bereits ein großer Erfolg! Ziel der Therapien ist es, selbständiges Leben so gut wie möglich zu erhalten oder wiederzuerlangen. Für viele unserer Patient:innen ist es möglich, damit ihre Berufsfähigkeit zu behalten oder im Alltag wieder einfache Handgriffe zu tätigen.

Macht es einen Unterschied, wann mit der medikamentösen Behandlung begonnen wird? 
Ja, je früher, desto besser – vor allem bei schweren Fällen, weil dadurch Leben gerettet werden. Es gilt: Zeit ist Motoneuron. Wenn Motoneuronen durch SMA zugrunde gehen, sind sie verloren. Bei Fällen im Teenager- oder Erwachsenenalter versuchen wir, durch die Therapie Behinderungen zu verhindern. Dementsprechend wichtig ist eine frühzeitige Behandlung.

Wohin können sich SMA-Patient:innen wenden – an Hausärztinnen und -ärzte oder an spezialisierte Zentren?
Beides ist wichtig. Dennoch sollten neuromuskuläre Zentren, die es in mehreren Bundesländern in Österreich gibt und bei SMA die fachliche Expertise haben, das primäre Anlaufziel sein. Wir führen Abklärungen, Untersuchungen und die Therapien durch. Wichtig ist, das Betroffene den Weg nicht scheuen, zu uns zu kommen. Es ist nicht immer ein einfacher Weg, aber es ist wichtig, nicht aufzugeben und selbst scheinbar geringe Erfolge zu sehen, die den Alltag erleichtern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die allermeisten unserer Patient:innen sehr geduldige Menschen sind. Für mich sind sie alle wahre Langstreckenläufer:innen. 

Hier finden Sie Unterstützung:

SMA Österreich – SMA Patientenvertretung Österreich https://www.smaoesterreich.at/

Verein Marathon – Verein von Eltern und Angehörigen gegen Muskelerkrankungen bei Kindern https://www.verein-marathon.at/

Muskelkrank – Verein Selbsthilfegruppe für Muskelkranke OÖ https://www.muskelkrank.at/

Steirische Gesellschaft für Muskelkranke http://www.muskelkranke-stmk.at/

Österreichische Muskelforschung https://www.muskelforschung.at/

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