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Neuromuskuläre Erkrankungen

Lotsensystem für gelungene Transition

In Kooperation mit
Photo: bluebearry via iStock
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Neuropädiater Prim. Univ.Prof. Dr.Günther Bernert

Präsident Österreichische Muskelforschung

Welche Rahmenbedingungen es braucht, um Menschen mit chronischen Erkrankungen gut von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin zu begleiten, erläutert Prim. Univ.-Prof. Dr. Günther Bernert im Interview.

Was macht eine gelungene Transition aus? Welche Eckpfeiler umrahmen diesen Prozess?

Die wichtigste Voraussetzung für gelungene Transition ist, dass man früh genug daran denkt, dass sie eines Tages notwendig werden wird. Denn es braucht Zeit für die Kontaktaufnahme mit den Erwachsenendisziplinen in Medizin und Therapie und die Etablierung einer Follow-up-Struktur. Bei der Betreuung von Menschen mit chronischen und beeinträchtigenden Erkrankungen geht es neben fachlichem Know-how immer auch um Chemie und Wellenlänge. Eine weitere Regel für gelungene Transition besteht darin, sich zu überlegen, wer im fachlichen Reigen der Disziplinen die Koordinationsrolle übernehmen kann. Diese „Rolle“ ausschließlich der Medizin zu überantworten, kann eine zeitliche Überforderung der beteiligten Ambulanzen bedeuten. Daher braucht es ein zusätzliches Lotsensystem, das Patient(inn)en beim Andocken an verschiedene Stellen unterstützt.

Wie sieht das in Ihrem Wirkungs- und Arbeitsbereich der neuromuskulären Erkrankungen aus?

Im Gegensatz zur Kinder- und Jugendheilkunde, in der die Neuropädiatrie Tür an Tür mit anderen Disziplinen der Kindermedizin arbeitet, sitzen die Spezialist(inn)en in der Erwachsenenmedizin an unterschiedlichen Stellen. Im Fall der spinalen Muskelatrophie zum Beispiel könnte daher vom Aufwand und notwendigen Know-how anstatt der Neurologie etwa die Pulmologie im Mittelpunkt stehen. Es ist wichtig, dass man sich rechtzeitig überlegt, wer die zentrale Koordinierungsfunktion wahrnehmen kann. Wir versuchen an unserer Abteilung, Transitionsambulanzen zu organisieren – diese Koordinierungsarbeit ist ein Extraaufwand für mehrere Seiten. Wichtig ist zumindest ein gemeinsamer Termin mit Patient(inn)en, Angehörigen sowie Mitarbeiter(inne)n aller notwendigen Fächer und Disziplinen.

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Welchen Stellenwert hat die Beziehung zwischen medizinischem Fachpersonal und Patient(inn)en beziehungsweise Angehörigen während des Transitionsprozesses?

Vertrauensvolle und im Rahmen von durchaus schwierigen Phasen der Erkrankung gewachsene Beziehungen sind eine wichtige Voraussetzung. Dieses Vertrauen wächst auch anhand ärztlicher Eigenschaften. Wir Ärztinnen und Ärzte brauchen Geduld und Gelassenheit. Besonders Zeitnot und Hektik sind der größte Feind einer hochqualitativen Betreuung und medizinischen Begleitung. Dabei könnte Case-Management assistieren und im Vorfeld bereits vieles abklären, damit Patient(inn)en rasch zu ihrer Versorgung kommen und Ärztinnen und Ärzte sowie Therapeut(inn)en beim Zeitmanagement unterstützt werden.

Welche Rahmenbedingungen braucht es dafür von der Gesundheitspolitik?

„Case-Manager“ ist bei den meisten öffentlichen Krankenanstalten weder eine etablierte Funktion, noch stehen dafür spezielle Dienstposten zur Verfügung. Umso wichtiger ist es, darauf hinzuweisen, dass es zur optimalen Versorgung von chronisch Kranken einen Bedarf für diese „Schnittstellen-Manager(innen)“ gibt, von deren Tätigkeit auch Ärztinnen und Ärzte, Therapeut(inn)en und leitende Pflegepersonen zur Bewältigung des Arbeitspensums erheblich profitieren würden, was wieder den Patient(inn)en zugutekommt.

Welche Rolle spielen hierfür Verbände oder Vereine wie die Österreichische Muskelforschung?

Es gibt Vereine, wie die Österreichische Muskelforschung mit medizinisch-fachlichem Schwerpunkt, und es gibt Verbände, die als Patient(inn)enselbsthilfe agieren. Beides wird gebraucht, um noch nicht ausreichend adressierte Bereiche im Gesundheitssystem, wie eben auch Transition, zu verbessern.

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