Obwohl sie als eine der häufigsten angeborenen Stoffwechselerkrankungen gilt, ist die Phenylketonurie (PKU) vielen Menschen unbekannt. In welcher Form die Krankheit auftritt, welche Behandlungsmethoden es gibt und wie ein weitgehend normales Leben mit PKU möglich ist, darüber spricht im Interview Dr. Daniela Karall von der Universitätsklinik Innsbruck.
A.Univ.-Prof. Dr. Daniela Karall
Klinik für Pädiatrie der Universitätsklinik Innsbruck
Worum genau handelt es sich bei Phenylketonurie?
Die PKU ist eine angeborene Stoffwechselstörung, genauer eine Abbaustörung der Aminosäure Phenylalanin. Eiweiße sind aus Aminosäuren aufgebaut, die mit der Nahrung zugeführt werden. Menschen mit Phenylketonurie können Phenylalanin nicht weiter in ihrem Körper verstoffwechseln, da ihnen das dafür notwendige Enzym Phenylalaninhydroxylase fehlt. Die PKU ist eine vererbte Stoffwechselerkrankung, bei der beide Elternteile Überträger, selbst aber nicht von der Krankheit betroffen sind. Wenn das phenylketonurietragende Gen von beiden Eltern auf das Kind übertragen wird, hat dieses Kind die Stoffwechselstörung Phenylketonurie.
Wie stellt sich das Krankheitsbild dar?
Im Jahr 1934 wurde die Phenylketonurie von einem dänischen Kinderarzt, der bei einem Geschwisterpaar mit schwerer geistiger Behinderung diese Stoffwechselstörung feststellte, beschrieben und entdeckt. Ab Mitte der 1950er Jahre wurde mit einer Therapie begonnen, indem man mittels bestimmter Ernährung weniger Eiweiß zuführt und damit verhindert, dass das Phenylalanin sich im Körper anstaut. Merkmale einer unbehandelten Phenylketonurie sind geistige Behinderung, fehlende Entwicklung und die hellere Färbung der Haut und Haare im Vergleich zu anderen Familienmitgliedern. Die erste Therapie bei bereits Betroffenen konnte die Symptome lindern, diese aber nicht mehr rückgängig machen. Daher wurde es Ziel, Betroffene bereits ab dem Neugeborenenalter – vor Beginn der Symptome – zu behandeln.
Die PKU zählt zu den seltenen Krankheiten – wie wird sie diagnostiziert?
Die Häufigkeit der Phenylketonurie wird bei Neugeborenen in Österreich mit 1:8.000 angegeben, seit Beginn des Neugeborenen-Screenings im Jahr 1966 sind in Österreich ca. 420 Fälle bekannt. Die Diagnose erfolgt mittels der Messung des Phenylalanins im Blut. Bei einem erhöhten Wert, wird sofort mit der Therapie begonnen. Das ist essentiell, da ansonsten durch das angestaute Phenylalanin Schäden für den Säugling entstehen. Deshalb wurde die PKU als eine der ersten Krankheiten ins Neugeborenen-Screening aufgenommen. Dank der frühen Erkennung und Behandlung müssen Betroffene heutzutage keine gesundheitlichen Schäden fürchten und können ein normales Leben führen.
Wie sieht eine PKU-Therapie aus?
Im Wesentlichen handelt es sich um eine Ernährungstherapie. Auf den Alltag umgelegt bedeutet das grundsätzlich eine streng vegetarische oder vegane Diät mit der Supplementierung von Vitaminen und Spurenelementen. Dies ist vor allem für Neugeborene, Kinder und Jugendliche wichtig, die noch im Wachstum sind und von der Nahrungszufuhr nicht eingeschränkt werden sollen. Die Empfehlung im deutschsprachigen Raum ist jene, dass man die Diät lebenslang einhält, am Wichtigsten sind aber sicherlich die ersten zehn Lebensjahre, da sich in dieser Zeit das Gehirn strukturell entwickelt.
Gibt es auch weitere Formen der Behandlung?
Die wichtigste und effektivste Säule der Therapie ist die Ernährung. Es gibt aber auch eine Reihe von PatientInnen, die unter Substitution von Tetrahydrobiopterin eine deutlich verbesserte Lebensqualität dadurch erreichen, dass sie mehr Eiweiß zu sich nehmen können. Ungefähr 10 bis 25 Prozent der PatientInnen mit PKU profitieren von einer solchen Behandlung mit Tetrahydrobiopterin oder dem synthetisch hergestellten Sapropterin. Die dritte Möglichkeit, an der schon seit Jahren geforscht wird, ist der direkte Ersatz des Enzyms Phenylalaninhydroxylase, die etwa medikamentös zugeführt wird. Das Mittel zu schlucken und dann normal essen zu können, wäre ideal, diese Möglichkeit steht aber im klinischen Alltag noch nicht zur Verfügung.
Michael Reiter, [email protected]