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Seltene Krankheiten

Lebensbejahend dank Therapien

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Neue Therapien haben einen positiven Einfluss auf das HAE. Die Expertin Dr. Tamar Kinaciyan klärt im Interview auf, welche seltene Erkrankung sich hinter diesem Kürzel verbirgt.

Ass. Prof. Dr. med univ. Tamar Kinaciyan

Leiterin der Allergieambulanz & Pädiatrischen Dermatologie, Universitätsklinik für Dermatologie, Medizinische Universität Wien, Terminvereinbarung unter 0664 994 43 411

Was ist ein HAE und wie kann man sich diese Erkrankung vorstellen?

HAE steht für Hereditäres Angioödem und ist eine genetisch vererbte oder spontan auftretende Erkrankung, die zu Schwellungen unterschiedlicher Körperregionen führt. Das kann sowohl die Haut als auch die Schleimhäute betreffen. Die Ursache dafür ist ein defektes Gen, das das Protein C1-Inhibitor (INH) bzw. die damit regulierte körpereigene Produktion des gefäßerweiternden Hormons Bradykinin beeinflusst. Infolge dieses genetischen Defekts wird entweder zu wenig C1-Inhibitor gebildet oder aber der vorhandene ist mangelhaft in seiner Funktion und somit ineffektiv. Ist ersteres der Fall, sprechen wir von einem HAE-Typ-1, bei letzterem von einem HAE-Typ-2.

Über welche Symptome klagen Menschen mit HAE?

Die Schwellungen können wie gesagt an unterschiedlichen Stellen auftreten. Im Gesicht etwa verändern sie das Aussehen und im Bauchraum können sie zu Krämpfen und Schmerzen führen. Gefürchtet sind Schwellungen vor allem im Rachen- bzw. Kehlkopfbereich, weil sie hier zu akuter Atemnot und potenziell zum Erstickungstod führen können. Wir kennen gewisse Auslöserfaktoren und dennoch können die Attacken auch unerwartet auftreten.

Wer oder was kann denn so eine Attacke auslösen?

Es gibt viele sogenannte Trigger-Faktoren – von psychischem Stress über leichte Verletzungen bis hin zu medizinischen Eingriffen. Wenn Menschen mit HAE zum Beispiel eine Operation benötigen, erhalten sie vorab das fehlende Protein. Aber auch Alkoholkonsum oder manche Medikamente wie Blutdruckmittel können Attacken auslösen. Außerdem zählen auch Infektionskrankheiten zu Auslöserfaktoren sowie bei Frauen die hormonelle Situation vor allem während der Pubertät, Menstruation oder wenn das Hormon Östrogen substituiert wird.

Wie kommen nun PatientInnen bzw. ihre ÄrztInnen überhaupt auf die Diagnose HAE?

Das ist eine gute Frage! Denn die Schwellungen können auch im Rahmen eines banalen Nesselausschlags oder eines Angioödems anderer Ursachen auftreten. Aber der Unterschied liegt darin, dass beim HAE die Standardtherapie mit Cortison oder antiallergischen Medikamenten nicht wirkt. Wenn also PatientInnen schon mehrfach mit Schwellungen in die Ambulanz gekommen sind und die Standardtherapie nicht wirklich zur Rückbildung beigetragen hat, dann sollten ÄrztInnen HAE im Verdacht haben und ihre PatientInnen an entsprechende SpezialistInnen oder spezialisierte Zentren vermitteln. Unter meiner Führung gibt es eine eigene HAE Sprechstunde an der Univ.-Klinik für Dermatologie in Wien. Ist HAE in der Familie schon bekannt, testet man die Kinder in der Regel bereits am Ende des ersten Lebensjahres.

Ist die Erkrankung ganz grundsätzlich heilbar?

Heilbar nicht, aber mittlerweile sehr gut behandelbar. Hätten Sie mir diese Frage vor einigen Jahren gestellt, wären die Therapiemöglichkeiten noch ziemlich limitiert gewesen. Jetzt haben wir schon tolle Präparate zur Attacken-Behandlung und zur Prophylaxe (Verhinderung von Attacken) zur Verfügung und weitere werden in den nächsten Jahren folgen.

Und diese prophylaktischen Therapien haben wahrscheinlich einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität von
Betroffenen?

Und wie! Natürlich hängt die Lebensqualität auch von der HAE-Ausprägung ab. Manche PatientInnen haben nur ein paar Mal im Jahr Schwellungen, andere leiden jede Woche unter mehreren massiven Attacken. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass das einen großen Einfluss auf das Privat- und Berufsleben, aber auch auf Themen wie Reisen oder Freizeitgestaltung hat. Daher sind HAE-Therapien absolut lebensbejahend! Menschen kommen zu mir und sagen, dass sie nun dank neuer Therapien nach über 30 Jahren endlich ein normales Leben führen können.

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