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Ektodermale Dysplasie

Nicht weinen und nicht schwitzen

Foto: zvg

Bei der ektodermalen Dysplasie (ED) entstehen Fehlbildungen (Dysplasien) an Haaren, Nägeln, Zähnen und Haut, da diese aus dem durch Mutation veränderten Keimblatt (Ektoderm) hervorgehen. Veronika Winkler erlebt diese Krankheit als Mutter zweier betroffener Kinder tagtäglich.

Sie haben acht Kinder zur Welt gebracht – acht Mal dieses Wunder der Geburt, ganz ohne Komplikationen?

Ja, eigentlich schon. Zwei Kinder sind im Spital zur Welt gekommen, sechs Kinder hab ich daheim entbunden. Dieses Erlebnis, ein Kind zu Haus zu bekommen, ist so wundervoll, dass ich das immer wieder erleben wollte. Nur das erste wurde im Spital geboren und das fünfte, weil es sich in einer Beckenendlage befand. Aber auch hier waren die Entbindungen komplikationslos.

Haben Sie bereits in der Schwangerschaft von Erkrankungen der Kinder gewusst?

Nein, ich hab mich überraschen lassen und nicht gewusst, ob es Mädchen oder Junge wird bzw. was nachher sein wird. Ich hab bis zum fünften Kind, einem Jungen, auch nicht gewusst, dass ich Trägerin der ED bin.

Hat man die Erkrankung dann gleich nach dessen Geburt festgestellt?

Nein. Aber er hatte  einen erhöhten Stresswert, weswegen er für acht Stunden in den Brutkasten kam. Er war immer ziemlich heiß. Damals wusste dort keiner die Symptome zu deuten, und wir hatten Glück gehabt, dass unser Sohn die Hitze im Brutkasten ausgehalten hat.

Wie und wann sind Sie dann aufmerksam geworden?

Er war immer sehr rot, hat sich mehrere Male gehäutet und zum Beispiel im Auto in der Babyschale immer sehr viel geschrien, aber nach vier Kindern lässt man sich nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen. Der Kinderarzt mutmaßte zwar, dass mit dem Kind etwas nicht stimme. Aber erst ein Hallenbadbesuch, wo er glühend rot und heiß geworden war, erweckte in mir zum ersten Mal den Verdacht, dass er dasselbe wie mein Bruder haben könnte. Damals war unser Sohn drei Monate alt.

Ihr Bruder hat ED?

Ja, aber ich hab mir nicht träumen lassen, dass sie erblich ist. Es hat seinerzeit einfach keiner etwas dazu gewusst.

Sie haben also die Diagnose vermutet?

Nachdem mein Sohn auf einer Heimfahrt dermaßen geschrien hatte und heiß geworden war, dass er einen Fieberkrampf bekam, gingen wir in Oberwart ins Spital, wo mein Bruder damals schon untersucht worden war. Dort habe ich diesen Verdacht ausgesprochen. Daraufhin nahmen Ärzte ihm Blut ab und schickten es seinerzeit noch nach Deutschland ins Labor. Bis zu einem halben Jahr haben wir auf das Ergebnis gewartet und dann den Verdacht bestätigt bekommen.

Was hat die Diagnose in Ihnen bewirkt?

Ich bin in ein Loch gefallen, erinnerte mich genau daran, wie mein Bruder gehänselt wurde in der Schule und dass er keine Zähne hatte bis zu seinem 12. Lebensjahr. Diese Aussicht für mein eigenes Kind zu haben, hat mich sehr zermürbt. Wir sind aber dann auf die Suche gegangen, haben in Bad Fischau eine Zahnärztin gefunden, die geeignete Prothesen anfertigen konnte und sich mit ED auskannte, obwohl ein Krankenhaus in Wien zuvor verneinte, dass wir in Österreich derartiges finden würden. Mit drei Jahren, also 2007, hat unser Kind diese Prothesen bekommen und dadurch nie wirklich Probleme gehabt. Die Kosten für die prothetische Versorgung müssen wir leider zum Großteil selbst tragen. Von unserer Sozialversicherungsanstalt gibt es kaum eine Unterstützung.

Wie sind Sie dann vorgegangen?

Wir haben mit einer Selbsthilfegruppe Kontakt aufgenommen und uns mit anderen betroffenen Familien ausgetauscht. Wir sind sehr offen damit umgegangen, jeder hat Bescheid gewusst. So haben sich alle meine Befürchtungen in Luft aufgelöst. Unser Sohn war immer sozial integriert.


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