Assoc.Prof.Priv. Doz Dr.in med.univ. Greisa Vila
Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel Medizinische Universität Wien
Die Endokrinologin Assoc. Prof. Dr. Greisa Vila gibt Aufschluss über Diagnose, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Hypoparathyreoidismus.
Welche Erkrankungsteckt hinter der Diagnose Hypoparathyreoidismus?
Der Begriff steht für eine verminderte Funktion der Nebenschilddrüsen, die das sogenannte Parathormon produzieren. Das Parathormon reguliert die Kalzium-Konzentration im Blut, durch eine Förderung der Kalzium-Resorption aus dem Darm und Nieren, aber auch durch Mobilisierung von Kalzium aus dem Knochen. Daher führt der Hypoparathyreoidismus zu einer Hypokalzämie. Durch den Kalziummangelkommt es zur erhöhten neuromuskulären Reizbarkeit und Patient(inn)en spüren beispielsweise Kribbeln auf der Haut, Muskelzuckungen oder Krämpfe.
Welche Ursachen hat die Erkrankung?
In circa 20 Prozent der Fälle hat der Hypoparathyreoidismus autoimmune, genetische oder idiopathische Ursachen. In 70 bis 80 Prozent der Fälle, entsteht die Erkrankung nach einer Operation im Bereich der Schilddrüse oder Nebenschilddrüse. Die vier Nebenschilddrüsensind sehr klein und liegen in der Regel hinter der Schilddrüse und postoperativ leiden manche Patient(inn)en an einen vorübergehenden, maximal bis zu sechs Monate dauernden Mangel an Parathormon. Sehr selten kommt es aber zu einer bleibenden Schädigung der Nebenschilddrüsen, also zu einem permanenten Hypoparathyreoidismus und einer der Risikofaktoren hierfür ist das Ausmaß der Operation (z.B. Tumor-Operation mit Lymphknoten-Entfernung). Die Prävalenz des Hypoparathyreoidismus schwankt zwischen zehn und 40 pro 100.000 Einwohner. Das heißt, in Österreich könnten wir mit ungefähr 2.500 Patient(inn)en rechnen. Wir gehen aber davon aus, dass die Erkrankung unterdiagnostiziert ist. Die Krankheit kommt häufiger bei Frauen vor (70-80% aller Fälle). Grund hierfür ist die höhere Prävalenz der Schilddrüsenerkrankungen bei Frauen, daher werden bei Frauen auch mehr Schilddrüsenoperationen durchgeführt.
Was bedeutet das nun konkret für Patient(inn)en? Welche Symptome haben Betroffene?
Je nach Schweregrad der Erkrankung, variieren einerseits die Laborergebnisse und andererseits die Symptome sowie die Beeinträchtigung der Lebensqualität. Viele Patient(inn)en haben einen hohen Leidensdruck. Es kommt zu sensorischen und motorischen Störungen wie Kribbeln auf den Fingern oder rund um den Mund, Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, und in schweren Fällen sogar zu Atem- oder Schluckbeschwerden. Zusätzlich kann es auch zu psychischen Problemen, Schlafstörungen, und sogar zu kognitiven Beeinträchtigungen kommen. Langzeitkomplikationen sind Linsentrübungen (Grauer Star), Nierensteine, Niereninsuffizienz, Verdauungsprobleme, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Hirnverkalkungen.
Welche Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten kennt die Medizin heute?
Die Medizin macht kontinuierlich Fortschritte. Standardtherapie ist die Substitution von Kalzium und Vitamin D. Denn aufgrund des Hypoparathyreoidismus fehlt dem Körper nicht nur Kalzium, sondern auch Vitamin D, da dessen Aktivierung durch das fehlende Parathormon gestört ist. Das aktive Vitamin D wird, unter anderem, für die Resorption von Kalzium aus dem Darm benötigt. Außerdem führt die Erkrankung zu hohen Phosphatwerten, da die Ausscheidung von Phosphat durch die Niere vermindert wird. Das heißt, dass Patient(inn)en auch eine phosphatarme Diät erhalten sollten. Bei schweren Formen von Hypoparathyroidismus ist diese Standardtherapie nicht ausreichend. Seit 2017 gibt es die Möglichkeit, das fehlende Hormon zu ersetzen. Das erfolgt in Form einer täglichen subkutanen Selbstinjektion. Therapieziele sind nicht nur die Besserung der Hypokalziämie, sondern auch eine Symptomfreiheit, Verbesserung der Lebensqualität und das Vermeiden von Langzeitkomplikationen.