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Hämophilie

Hämophilie und die neuen Behandlungsmöglichkeiten

rot blutendes Herz
rot blutendes Herz
iStock/Ponomariova_Maria

Der Vorsitzende der Österreichischen Hämophiliegesellschaft Josef Weiss über neue Therapiemöglichkeiten und was er sich in Zukunft für Betroffene wünschen würde.

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Josef Weiss

Vorsitzender der Österreichischen Hämophilie-Gesellschaft

Was müssen wir uns unter der Hämophilie vorstellen?

Hämophilie ist eine Blutgerinnungsstörung. Durch das Fehlen von bestimmten körpereigenen Eiweißen, den sogenannten Gerinnungsfaktoren, welche für die Blutstillung verantwortlich sind, können spontane und unkontrollierte innere Blutungen entstehen. Diese ergießen sich häufig in Muskeln und Gelenke, wo das abgelagerte Blut unterschiedlichste Schäden anrichten kann. Dadurch können zum Beispiel schmerzhafte Gelenksarthrosen entstehen.

Gibt es bestimmte Ursachen, aufgrund derer man die Krankheit bekommt? 

Bei der Hämophilie handelt es sich um eine angeborene, vererbbare Störung des Blutgerinnungssystems. Ausgelöst wird sie durch ein fehlendes Chromosom, also einen Zellbestandteil, auf dem Erbinformationen gespeichert sind. Die Übertragung erfolgt durch die Mutter, auch Konduktorin genannt.

Die weiblichen Nachkommen einer Konduktorin und eines gesunden Mannes sind mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent Konduktorin, die männlichen Nachkommen erkranken mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an Hämophilie. Zwei Drittel der Hämophilie-Erkrankungen sind erblich bedingt, während rund ein Drittel durch spontane Mutationen erfolgt.

Wie wirkt sich die Hämophilie auf den Alltag Betroffener aus?

Die Erkrankung wird ja in der Regel sehr frühzeitig diagnostiziert. Ab diesem Zeitpunkt erfordert das Management der Erkrankung eine hohe Aufmerksamkeit der Eltern und Betreuungspersonen. Grundsätzlich gilt aber, dass Betroffene eine völlig normale Lebensführung halten können, sie müssen aber in vielen Situationen etwas vorsichtiger sein.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Die Behandlung der Hämophilie erfolgt durch die intravenöse Gabe der fehlenden Blutgerinnungsfaktoren. Um spontane Einblutungen zu vermeiden, verabreichen sich die Betroffenen die Gerinnungsfaktoren vorbeugend. Je nach Alter und Körpergewicht zwei bis drei Mal wöchentlich.

Was bedeutet eine Behandlung für die Lebensqualität Betroffener?

Eine regelmäßige vorbeugende Behandlung der Hämophilie ist die Voraussetzung, dass die Lebensqualität der Betroffenen nicht mehr als nötig eingeschränkt wird. Die Behandlung erfordert aber von den Betroffenen auch Disziplin und einen gewissenhaften Umgang mit den Präparaten.

Stichwort „subkutane Therapie“. Was ist das und wie funktioniert es?

Die Standardtherapie erfolgte bislang immer intravenös. Das kann vor allem bei Kleinkindern mit noch nicht so gut ausgeprägten Venen schwierig sein. Eine neue Therapieoption ermöglicht es jetzt, den Wirkstoff direkt unter die Haut – das versteht man unter „subkutan“ – zu spritzen.

Durch diese Methode ist die Therapie wesentlich leichter anzuwenden und damit für die meisten Betroffenen viel einfacher in den Alltag integrierbar. Diese Behandlungsform baut auf einem völlig neuen Konzept auf. Viele Patienten werden in Zukunft davon profitieren.

Was würden Sie sich in Zukunft für Hämophilie-Betroffene wünschen?

Akut stehen Präparate mit längerer Wirkungsdauer und subkutaner oder oraler Verabreichung  ganz oben auf meiner Wunschliste. Damit würden sich der Alltag an sich und der Umgang mit der Krankheit für alle Betroffenen deutlich erleichtern.

Das große Fernziel, auf das vonseiten der Forschung auch schon hingearbeitet wird, ist die vollständige Heilung der Erkrankung durch eine gentechnische Behandlung.

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